Las Misiónes

Freitag, 6.Mai 2011
Zwar sehr mühsam, aber trotzdem pünktlich finde ich aus den Federn! Schnell unter die Dusche zum Wachwerden, Frühstück muß heute leider ausfallen (es hat einfach noch nichts offen!). Pünktlich um 6h fährt Carlos vor und wir machen uns in der Morgendämmerung auf den Weg!

Obwohl gerade erst die Sonne aufgeht, ist schon reges Treiben auf und neben den Straßen! Kaum aus dem unmitelbaren Stadtgebiet von Santa Cruz heraus, werden an den Straßenrändern schon überall Marktstände aufgebaut oder warten „Schnellrestaurants“ bereits auf die Frühstück-Kunden! Carlos kauft sich dort auch eine Wegzehrung – ich verzichte lieber und halte mich an mein Wasser :-(.
Es ist eine aufregende Fahrt – vor allem für Carlos! Er muß seine Augen ständig auf der Straße haben, denn entweder sie ist übersät mit manchmal knöcheltiefen Schlaglöchern, oder Gänse, Schweine, Schafe oder gar Rinderherden queren unvermittelt die Straße! Auch ich bin gefordert – es gibt Unmengen zu fotografieren:-)!

Die Fahrt geht durch grünes Land – viel landwirtschaftlich genutzt, manchmal auch noch reiner ‚Urwald‘!

Die Straße ist größtenteils geteert, die Schlaglöcher sind wahrscheinlich auf die vielen Schwerlaster zurück zu führen, die uns auch heute hier begegnen! Manchmal gibt es auch Teilstücke, da ist überhaupt kein Belag mehr vorhanden – dann ist das Ganze eine mehr als staubige Angelegenheit! Das hat nur den Vorteil, daß die waghalsigen Überholmanöver eher ‚verlangsamt‘ stattfinden müssen und damit nicht ganz so gefährtlich sind!

Nach für mich mehr und für Carlos weniger aufregenden 3 Stunden erreichen wir ‚San Javier‘, die erste der ehemaligen Missionsstationen hier! Durch weniger einladende Randbezirke kommen wir in das Stadtzentrum und ich sehe mich plötzlich mit der wunderschönen Missionskirche an einem sehr gepflegten Platz konfrontiert! Diese Kirche wurde 1691 als erster Jesuitenstandort im bolivianischen Tiefland gebaut und ist komplett aus Holz! Sie sieht eher wie eine wunderschöne große Scheune aus, denn der Glockenturm ist im Innenhof ganz eigenständig errichtet! Über und über mit Schnitzereien und Bemalungen verziert ist sie ein wunderschöner Anblick in der Mittagssonne!

Aber auch innen kann sie sich sehen lassen und quillt nur so über vor Kostbarkeiten! Vor dem Altarraum übt gerade der Chor und das Orchester – alles Schülerinnen und Schüler der angeschlossenen Schule! Es ist erstaunlich, wie gut sie ihre Instrumente beherrschen und vor allem, was für tolle Stimmen hier zu hören sind! Es ist eine Freude, Ihnen eine Weile zuzuhören!




In verschiedenen Nebenräumen, die jetzt als eine Art kleines Museum genutzt werden, sehen wir zahlreiche Heiligen-Figurinen, die ohne Bekleidung hier auf den nächsten Einsatz warten! Sie werden hier, wie überall in Südamerika, für ihre ‚Auftritte‘ mit echten textilen Kleidern, oft reich verziert mit Halb- oder Edelsteinen, versehen – die werden offenbar extra aufbewahrt und erst zu den jeweiligen Anlässen über die Figuren gezogen! Darüber hinaus gibt es einige Engelsfiguren und Köpfe zu sehen – sehr schöne alte Bildhauerarbeiten!

Jetzt muß ich mich aber hier trennen, denn Carlos hat noch eine Überraschung für mich! In einem kleinen Park, der um einige riesige Findlinge herum angeordnet ist, wird heute der jährliche Fruchtbarkeitstanz von einheimischen Jugendlichen aufgeführt! Schon der Weg dahin ist überraschend – vorbei an kleinen, eher ärmlichen Häuschen hinauf auf einen Hügel! Mitten im feuchten fruchtbaren Tiefland plötzlich eine Anhäufung von riesigen’Kieselsteinen‘! Noch überraschender jedoch ist, daß mehr oder weniger „aus“ diesen Steinen heraus oder um die Steine herum Bäume wachsen! Man fragt sich, woher die die Kraft nehmen, dort zu existieren!

Zwischen den großen Steinen sehen wir beim Aufstieg schon überall die Jugendlichen und Kinder sich für den Tanz ankleiden!
Es scheint ganz bestimmte Regeln dafür zu geben, wer welche Farben tragen darf und welche symbolischen Tiere auf den mitgeführten ‚Spazierstöcken‘ zum Einsatz kommen! Die Gesichter der Teilnehmer sind alle verhüllt – mit Tüchern oder auch Masken! Einige der Tänzer tragen Federschmuck auf dem Kopf, einige nur weiße oder farbige Tücher! Alle haben jedoch ein Band von Muschelschalen um die Beine gewickelt, das für rhytmische Unterstützung beim Tanz sorgt!


Wir gehen, ehe die Zeremonie ihrem Höhepunkt entgegen geht – ich bin froh, daß ich wenigstens soweit dabei sein durfte! Eigentlich sind das ja Augenblicke, wo die Einheimischen lieber unter sich sind! Hier hat sich wieder mal bewährt, daß ich als Einzelperson mit einem regionalen Taxifahrer unterwegs bin…

Da wir früh dran sind, beschließen wir, noch nach Concepción weiter zu fahren – die Nachbarmission, die etwa 60 km entfernt ist! Auch hier ist wieder ‚der Weg das Ziel – es gibt soviel ungewöhnliches für mich zu entdecken! Von einem Geier angefangen, der sich überhaupt nicht von uns bei seinem Mittagessen stören ließ über jetzt plötzlich überraschend große richtiggehende ‚Gutshäuser‘ statt der bisher eher kleinen Gehöfte oder Hinweisschilder, bei denen ich mich in ein anderes Land versetzt fühle: California, Texas,San Luis, Los Angeles…

In unserem Zielort angekommen beschließt Carlos, daß wir erst einmal Mittagessen gehen! Das soll mir recht sein, noch dazu, als er vorschlägt, das im Restaurant ‚Nosotros Amigos‘ (Unserer Freunde!) einzunehmen. Das hört sich doch schon mal sehr gut an – und es sieht auch sehr gut aus!
Hier finden wir ein schattiges Plätzchen und lassen uns die vielen Variationen des riesigen Büffets mit leckerer vorheriger Suppe schmecken!
Nach diesem köstlichen Mahl wird es eher schwierig mit den Besichtigungen – eigentlich wäre erstmal ein Mittagsschläfchen angesagt :-)! Aber Carlos ist unbarmherzig – gerade macht die Missionskiche hier wieder auf und wir haben ja auch noch einen weiten Weg zurück! Die Kirche hier ist fast noch schöner als die von vorhin!

Die Mission Concepción wurde 8 Jahre später gebaut als San Javier und offenbar hat man hier nochmal einiges an Pracht zugelegt! Auch der Innenraum hier ist noch um einiges aufwändiger gestaltet als in der Kirche vorhin!

Auch hier gibt es ein Museum, allerdings über den Platz auf der gegenüberliegenden Seite! Das ist sehr viel reichlicher ausgestattet, als die beiden kleinen Räume in San Javier, und hier erfahre ich auch ein wenig mehr über die Geschichte der 6 ‚Jesuiten-Reduktionen‘ hier in Bolivien! Die Jesuiten haben großen Wert darauf gelegt, daß die indigene Bevölkerung trotz Missionierungihre Würde behalten kann! So wurden die Eingeborenen nicht versklavt, sondern man nahm Rücksicht auf ihre Bedürfnisse und in gemeinsamer Arbeit agierten diese Missionsdörfer bzw. -städte sehr erfolgreich! Das war der spanischen und vor allem portugiesischen Oberhoheit ein Dorn im Auge(wie der Jesuitenorden sowieso damals grundsätzlich als zu progressiv angesehen wurde!) und so wurde im 18. Jh. angeordnet, daß die Missionen aufgelöst, die Indios umgesiedelt und die Jsuitenpadres nach Europa zurückgeschickt werden müssen! Das war der Todesstoß für die Missionsstationen (Argentinien, Paraguay, Brasilien, Bolivien) und die meisten verfielen danach! Hier in Bolivien hat sich der Schweizer Architekt und Ex-Jesuit Hans Roth von Anfang der 70er Jahre bs zu seinem Tod 2003 um die Restrukturierung verdient gemacht! Auf seine Initiative hin wurden hier in Bolivien die Kirchen im originalen Stil mit dem Material Holz und der Unterstützung der Einheimischen wieder hergestellt – zusammen gearbeitet hat er dabei mit dem damaligen Priester in Concepción (der übrigens aus der Oberpfalz stammte!).





Leider müssen wir uns nun wieder auf den Rückweg machen – wir wollen beide nicht unbedingt in die Nacht kommen. Also verlassen wir dieses Örtchen über die roten staubigen Straßen wieder Richtung Santa Cruz!






Leider machen uns die Straßenzustände und vor allem der Verkehr einen Strich durch die Rechnung – lange vor Santa Cruz setzt schon die Dämmerung ein und die letzten fast 100 km müssen wir im Dunkeln fahren! Was für ein Abenteuer – abgesehen von den vielen unvermutet auftauchenden Schlaglöchern begegnen uns auch immer wieder Autos ohne Beleuchtung (wie können die überhaupt etwas erkennen?) oder verwilderte Hunde queren die Straße! In den Ortschaften ist immer noch der Teufel los und wir kommen nur im Schrittempo voran! Es gibt so gut wie nirgends eine Straßenbeleuchtung – nur durch die eher tranfunzelige Beleuchtung der Marktstände gibt es ein wenig Licht! Auch der Mond läßt uns im Stich – er ist gerade mal etwas zunehmend und seine Sichel (die hier übrigens „verkehrt herum“ am Himmel steht:-)) ist noch zu schmal, um als zusätzlicher Lichtspender zu wirken! Aber dank meinem wirklich sehr professionellen Fahrer kommen wir dann doch wohlbehalten in Santa Cruz an – bin ich erleichtert!!!
Ich habe gar keinen Hunger mehr nach der Fahrt, esse nur noch das bißchen Obst auf, das ich noch in meinem Zimmer habe! Anschließend wird mein Gepäck wieder mal einem ‚Claering‘ unterzogen – morgen geht es schließlich weiter nach Peru!

2 Antworten zu Las Misiónes

  1. rothacher ursula + fritz schreibt:

    Hallo Christine,
    nach Bolivien bist du nun also schon wieder 2 Wochen in Peru unterwegs. Wir geniessen nach wie vor deine spannenden Reiseberichte mit den farbigen Fotos,
    sind in Gedanken bei Dir und hoffen doch deine Gesundheit ist wieder in Ordnung!!!
    Herzliche Grüsse aus der Schweiz
    Ursula + Fritz

    • grannyontour schreibt:

      Danke für Eure Treue :-)! Ja, ich weiß, die zwei Wochen müssen schnellstens nachgetragen werden – aber da ist soviel passiert! Ich hoffe, ich schaffe heute und morgen noch ein wenig…

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